Abfahrt durchs Val d'Arpette - Fahrt nach Bourg-St-Pierre - Aufstieg zur Cabane de Valsorey

Am Morgen lassen wir - nicht ganz uneigennützig - den zwei Führerpartien den Vortritt. Deren wohlangelegte Spur erspart uns den mühseligen Routenfindungsprozess (Col des Escandies oder Col des Chamois?).


Auf dem Plateau du Trient: Aufbruch von der Hütte bei dramatischem Bergwetter und perfekter Neuschneeauflage.

Leider lässt es sich auch auf dem Weg zum Val d'Arpette nicht ganz vermeiden, die Skier von den Füssen zu schnallen, aber wenn der Col des Escandies erstmal erreicht ist, geht es nur noch abwärts in hübscher Umgebung und in perfekt geneigtem Gelände.



Abfahrt zum Glacier du Trient und anschließender Wiederaufstieg zum Col des Escandies (2796m).

Die 1400m lange Abfahrt endet unterhalb des Skigebietes von La Breya, von wo aus man in einem halbstündigem Fußmarsch entlang der Straße nach Champex gelangt.



Abfahrt durchs Val d'Arpette. Im Südosten quellen schon die Wolken, die uns die nächsten beiden Tage zu schaffen machen werden ...


Fußmarsch nach Champex.

In Champex kehren wir erstmal ein und stärken uns mit feinsten schweizer Backwaren und Ovomaltine. Dies schafft eine solide Grundlage für die weitreichenden Entscheidungen, die nun getroffen werden müssen. Begibt man sich auf die 'schlappe' 'Haute Route des Dames' oder auf die 'krasse' klassische Haute Route? Für erstere Variante muß man den Bus nach Verbier, für letztere den Bus nach Bourg-St-Pierre nehmen. Die beiden Varianten verlaufen auf drei Etappen getrennt und kommen wieder zusammen an der Cabane de Vignettes, der letzten Station der Haute Route vor Zermatt. Das 'Krasse' an der klassischen Variante ist vor allem eine Stelle, der sehr steile und oft vereiste Hang im Anstieg von der Cabane de Valsorey zum Plateau du Couloir, das Nadelöhr bei heiklen Verhältnissen ...
Als nächstes wird der Wetter- und Lawinenlagebericht eingeholt. Ersterer verheißt nichts Gutes, letzterer ist nicht so einfach zu interpretieren. Ob 'mäßig' oder 'erheblich' entscheidet sich von Tal zu Tal, je nach Niederschlägen der nächsten Tage. Aufgrund dieser Informationen plädiert die 'Dame' für die Haute Route des Dames (gewählt von den beiden Führerpartien), die Herren für die krasse Herausforderung. Es siegt das Glücksrittertum über den Konservativismus und wir steigen um elf Uhr vormittags in den Bus nach Bourg-St-Pierre. Gegen ein Uhr steigen wir dort aus, schnallen sofort die Skier an und beginnen, die 1300 Aufstiegsmeter zur Cabane de Valsorey herunterzuspulen.


Aufstieg durch eine malerische Schlucht.                                                                               Die Spitzkehren lassen mal wieder zu wünschen übrig.


Noch 500 Höhenmeter vor uns. Auf dem Rücken auf der anderen Talseite die Cabane du Vélan. Die Wolken sind uns dicht auf den Fersen.

Kurz vor der Hütte stehen wir mal wieder im Nebel und es fängt an zu schneien. Aber im Gegensatz zu gestern ist es diesmal nicht mit einer stürmischen Nacht und zehn Zentimeter Neuschnee getan.
Wir verbringen einen Tag und zwei Nächte auf der Hütte (3030m), zusammen mit 10 Spaniern und drei Schweizern. Es stürmt und schneit ohne Unterlaß und ist außerdem bissig kalt. Am ersten Morgen bricht eine Führerpartie aus München zur Cabane de Chanrion auf. Wir unternehmen auch einen Vorstoß, kehren aber nach 10 m wieder um. Zum Glück. Am Abend kommt ein Anruf von der Cabane de Chanrion, daß die Müncher Truppe nach langer Irrfahrt mit Erfrierungen in so manchem Gesicht eingetroffen sei. Wir verbringen den Rest des Tages wahlweise mit Denksport und Konsum von fragwürdiger Hüttenlektüre (siehe Anfang der Story). Vor den Fenstern akkumuliert sich der Schnee.
Bis zum Morgen des zweiten Tages ist ungefähr ein halber Meter Neuschnee gefallen und es stürmt weiter. Aber selbst wenn es jetzt aufklaren würde, wäre der Aufstieg zum Plateau du Couloir viel zu heikel. Der freundliche Hüttenwart nötigt alle drei anwesenden Gruppen zum schnellen Abstieg. Er empfiehlt uns, nicht entlang des Aufstiegsweges abzufahren, sondern einen anderen, weniger lawinengefährdeten Hang zu nutzen. Die Lage ist äußerst unangenehm. Man sieht keine zehn Meter weit, es stürmt und schneit, und es muß ein nicht gerade unsteiler Hang voll mit frischem Neuschnee angeschnitten werden. Mit dem Hüttenwart, der sich als Einweiser am Klohäuschen positioniert hat, stehen wir zu siebzehnt vor dem Hang und keiner traut sich. Schließlich machen die zehn Spanier verdienstvollerweise den Anfang, dann kommen wir, dann die drei Schweizer. Alle halten weite Abstände, es wird Schneepflug gefahren und die Richtung nur mit Spitzkehren hangabwärts gewechselt. Irgendwann müssen wir den Hang orographisch rechts verlassen, doch die Stelle ist im dichten Nebel nicht so einfach zu finden. Endlich wird das Gelände flacher, wir stehen auf einem Absatz.



Gesucht und gefunden: Die drei Herren inmitten ihrer 'krassen' Herausforderung.

Irgendwo hier müssten wir wieder auf die Aufstiegsspur treffen. Nur wo? Alle Spuren sind natürlich zugeschneit und die Sicht ist keinen Deut besser geworden. Die Rettung: Die drei Schweizer haben mit ihrem GPS den Hinweg aufgezeichnet und können jetzt die Ariadne-Faden Funktion einstellen. Auf diese Weise lotsen sie uns allesamt sicher in tiefere Regionen, wo endlich auch die Sicht besser wird. Jetzt bleibt noch ein Problem zu lösen: Die Talseite, auf der die Aufstiegsspur verläuft, ist sehr gefährdet durch Lawinen aus höheren Etagen. Daher hat uns der Hüttenwart eingeschärft, bei Zeiten auf die andere Talseite zu wechseln. Jetzt sind die Deutschen dran mit der Wegfindung, also legen wir eine Spur durch die Büsche auf der anderen Talseite und finden irgendwann tatsächlich nach Bourg-St-Pierre ...
























'Bushwacking'.


Ankunft in Bourg-St-Pierre.

Was nun? Die klassische Haute Route ist in voller Länge für dieses Mal leider gestorben, die Haute Route des Dames aus Zeitmangel  auch. Wir beschließen, ins Rhonetal zu fahren, dort einen Wetter- und Lawinenlagebericht einzuholen, und gegebenenfalls von Arolla aus nochmal zur Haute Route aufzusteigen.
Wetter- und Lawinenlagebericht sind annehmbar, und so sieht uns der Abend des vierten Tages in einer wohlausgestatteten Ferienwohnung in Arolla.




Fünfter und sechster Tag